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polylog 36

Winter 2016

Interkulturelle Kompetenz

Herausgeberinnen des Thementeils: Bianca Boteva-Richter, Nausikaa Schirilla

Einleitung: Interkulturelle Kompetenz

THEMA

Rolf Elberfeld

»Selbstkompetenz« und »Fremdheitskompetenz«

Die Frage nach dem Fremden in mir und dir

Rolf Elberfeld geht es um Selbst- und Fremdbild, bzw. die Frage, wie man sich fühlt und agiert, wenn man seinen angestammten Kulturraum verlässt, um in die Fremde zu ziehen. Wie erkennt bzw. vermeidet man Konflikte, und wie kann man an sich selbst arbeiten (sich selbst kultivieren), um ein respektvolles und friedliches Miteinander zu erreichen? Mit Bezug auf Plato, Cicero, Pufendorf bis hin zum japanischen Philosophen Nishida argumentiert Elberfeld, dass man an der eigenen Selbstkompetenz arbeiten solle, bevor man sich für eine Fremdkompetenz qualifiziere. Die Selbstkultivierung, die ebenso die künstlerisch-wissenschaftliche Sphäre als auch den Gefühlsbereich umfasst, ist eine Notwendigkeit.
Die Erweiterung der Selbstkompetenz dient also der Grundlegung von Fremdheitskompetenz, die der Autor angelehnt an die Arbeiten von Kristeva und Waldenfels, in uns selbst, schlussendlich als einen Teil unserer Selbstkompetenz ausmacht. Diese gilt es also zu entfalten, denn nur so kann ich feststellen dass »die Fremdheit nicht erst beim anderen Menschen beginnt, sondern in mir selbst, [und] so bezieht sich die Fremdheit auch nicht allein auf die Menschen anderer Kulturen, sondern auf jeden anderen Menschen, der mir begegnet.« Zum Schluss verweist Elberfeld auf die Frage nach unterschiedlichen Fremdheitskompetenzen im Rahmen verschiedener Kulturen.

Hakan Gürses

Kulturalität in hegemonie- und machttheoretischer Perspektive

Von der Frage nach Macht und Machtstrukturen handelt der Aufsatz von Hakan Gürses. Er rekurriert auf »die Unzulänglichkeiten des Kultur-Begriffs«, die zu einer kulturalistischen Lesart von Texten führen, die auch Interkulturelle Konzepte mit einschließt. »Partikularismus versus Universalismus« sind zwei wichtige Schlagwörter, die den Umgang mit Kultur, kulturellen Texten bzw. kulturellen/interkulturellen Zugängen charakterisieren. Gürses zeigt zugleich im Rekurs auf Foucault und Gramsci, dass Hegemonie und Machtstrukturen aber nicht a-kulturell sind. Mit Gramscis Konzept von Führen und Herrschen thematisiert Gürses ideologische, nämlich kulturelle und ethische Aspekte von Führung, die nicht allein auf militärischer oder polizeilicher Stärke beruht. Er verweist weiter auf das Zusammenspiel von Individuum/individuellen Gruppen und der Gesellschaft/des Staats in einer Doppelperspektive von Zwang und Konsens, Autorität und Hegemonie, Gewalt und Kultur. Gürses erweitert Gramscis Staatsbegriff durch das Konzept der società civile als Schauplatz der kulturellen Hegemonie und der Kulturalität, Kontingenz der Kultur sowie die Universalisierung als Strategie. Er betont die Verschränkung von Kultur und Gesellschaft, samt deren ineinander verstrickte Machtverhältnisse: Kultur ermöglicht also Herrschaft, indem sie scheinbar Ordnung stiftet und real partikular agiert. Doch wie kann man dieser Sackgasse entkommen, da doch das Kulturelle nicht abzustreifen ist, wie ein Mantel oder ein anderes Kleidungsstück?
Gürses schlägt vor, »von Kulturalität zu lernen«. Denn nur indem Partikularität und Kontingenz im Kulturellen aufgezeigt werden, wird die ideologische Dimension der Universalisierung deutlich und Hegemoniekritik wird möglich, ohne eine Gegenhegemonie aufbauen zu müssen.

Jürgen Bolten

Interkulturelle Kompetenz – eine ganzheitliche Perspektive

Im Beitrag von Jürgen Bolten geht es um eine allgemeine kritische Einführung in die Problematik der Interkulturellen Kompetenz. Er plädiert für ganzheitliche Art interkultureller Kompetenzvermittlung, in der nicht um die zu bestimmenden Grundlagen gestritten wird, sondern intradisziplinär agiert wird. Als Grund hierfür nennt Bolten vor allem die Kontextabhängigkeit interkulturellen Handelns und expliziert je nach Akteursfeld und insbesondere je nach dem situativen Beziehungsgeschehen verschiedene Bedingungen interkulturell kompetenten Handelns. Zentral an seinem Ansatz ist ein relationales Denken, das »Mehrwertigkeit«, »Unschärfe« und »Perspektivenreflexivität« in den Vordergrund stellt.

Nausikaa Schirilla

Interkulturelle Kompetenz – Eine Frage der Gerechtigkeit?

Nausikaa Schirilla sucht die Bandbreite der Kontroversen zu Interkultureller Kompetenz abzustecken, eine neue hinzuzufügen und sie gleich wieder einzuschränken. Schirilla bezieht sich auf Interkulturelle Kompetenz im Zusammenhang von Einwanderungsdebatten und stellt die Frage des Zugangs von Zugewanderten als neuen Teilen der Gesellschaft zu öffentlichen Dienstleistungen wie z. B. Gesundheitsversorgung. Interkulturelle Kompetenz in Dienstleistungsfeldern und entsprechende organisationsbezogene Konzepte sollen den Zugang zu Versorgung verbessern. Sie übernimmt das Konzept der Zugangsgerechtigkeit aus sozialpolitischen Diskursen und argumentiert, dass, wenn Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Zugangsgerechtigkeit gedacht wird, Fragen nach dem Eigenen und Fremden ihre Bedeutung verlieren und Fragen nach Normalität und Vielfalt in den Vordergrund rücken. In demokratischen Gesellschaften muss kulturelle Vielfalt im Kontext demokratischer Rechte gesehen werden und nicht von Toleranz und Verständnis – so das Schlussplädoyer.

FORUM

Johann Kroier

Aufklärung auf dem Boden von »Kulturblindheit«?

Zur Vorgeschichte des modernen Eurozentrismus

Abbas Manoochehri

Edward Said: Eine emanzipatorische Erzählung

REZENSIONEN und BUCHTIPPS

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