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Aktuelle Seite: Editorial

Liebe Lesende,

»Dekolonisierung« ist seit einigen Jahren ein nicht nur in der Politik, sondern auch in den Wissenschaften und Künsten an Einfluss gewinnender Begriff. Geboren aus dem antikolonialen Befreiungskampf der vom europäischen Kolonialismus unterdrückten Völker, steht neben der Kritik am Weiterbestehen politischer und ökonomischer Abhängigkeiten heute auch die Kritik an einer eurozentrisch geprägten Wissensproduktion im Zentrum der Auseinandersetzungen. Diese geht einher mit Forderungen nach einer Dekolonisierung der Universitäten, der Wissenschaften und der Lehrpläne, nach einer Transformation des Kanons der verschiedenen Disziplinen oder auch nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ausstellungspraxis in den Museen. Zu den Zielen einer solchen kritischen Aufarbeitung gehört es, die ›koloniale Bibliothek‹, das heißt jene Begriffe und Theorien, die koloniale und rassistische Vorstellungen vom ›Anderen‹ transportieren und zur Legitimation der Unterdrückung unterworfener Völker und Nationen herangezogen wurden, zu entlarven. Erst auf dieser Basis könne eine Veränderung der Wissensproduktion, unseres Lehrens und Forschens, frei von kolonialen Mustern, gelingen; eine neue Form der Wissensproduktion, in der Beiträge aller Regionen der Welt berücksichtigt werden. Für einen solchen kritischen Ansatz stand auch der kürzlich verstorbene Historiker und Philosoph Valentin Y. Mudimbe, dessen Arbeit in einem Nachruf in dieser Ausgabe gewürdigt wird.
Dekolonisierung ist jedoch zugleich ein politisch hoch aufgeladener und durchaus umstrittener Begriff. Und so unternimmt die vorliegende, von Murat Ates, Amalia Barboza, Christoph Hubatschke und Ruth Sonderegger verantwortete, Polylognummer »Dekolonisierung, Kunst, Wissen« eine mögliche Annäherung an dieses Thema, und zwar mit sehr vielfältigen Beiträgen, die von einer Untersuchung der Ausstellungspraxis in Museen bis hin zu feministischen Epistemologien reichen.
Der Text in unserer Rubrik »forum« führt uns dieses Mal ein in eine philosophische Perspektive auf die japanische Teehausarchitektur.
Wie immer finden Sie unter »Bücher & Medien« eine große Anzahl von Besprechungen von Neuerscheinungen und in unserer noch jungen Rubrik »polytop« Hinweise auf interessante Projekte, die im engen Zusammenhang mit dem interkulturellen Philosophieren stehen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Im Namen der Redaktion
Anke Graneß

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