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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,
das Interesse an Karl Marx und an aus seinem Denken hervorgegangenen marxistischen Theorien ist bis heute ungebrochen. Um nur einige Beispiele zu nennen: populäre Filmprojekte, wie Raoul Pecks »Der junge Karl Marx« (2017), studentisch organisierte Kongresse, mit sprechenden Titeln wie »Marx is’muss« oder zuletzt die Ausstellung »Karl Marx und der Kapitalismus« des Deutschen Historischen Museums in Berlin.
Auf dem ein oder anderen Wege ist Marx sicher bereits vielen Menschen begegnet, auch weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Wohl kaum ein Philosoph ist über die Fachgrenzen hinaus so bekannt wie er. Weniger bekannt sind jedoch die vielen, über den ganzen Planeten verteilten, lokalen Rezeptionen seines Denkens. Wir laden Sie mit diesem Heft, das aus der im Wintersemester 2020 von Bianca Boteva-Richter und L’ubomír Dunaj organisierten Vortragsreihe der ­WiGiP »Marxismus im Gespräch – Interkulturelle Perspektiven und Entwicklungen« hervorgegangen ist, deshalb ein, sich mit uns auf eine Reise zu begeben. Auf eine interkulturelle Reise auf den Spuren von Marx, seinem Denken sowie seiner Rezeption. Dieses Heft kann natürlich nur den Beginn eines solchen Denkausflugs darstellen: Bleiben Sie also weiter neugierig und lesen Sie auch über die präsentierten Beispiele und Rezeptionsgeschichten hinaus. Zum Beispiel über Tan Malakka (1897–1949) und Marxismus in Indonesien, der 1965 in einem der größten an Kommunist:innen verübten Massaker der Weltgeschichte ein blutiges Ende fand. Oder José Carlos Mariáteguis Sieben Versuche, die peruanische Wirklichkeit zu verstehen (Spanisches Original von 1928) und seine Zeitschrift Amauta. Oder auch marxistisch inspirierte feministische Theorie, seien es historische Beiträge wie Begum Rokeyas Utopie-Erzählung Sultana’s Dream (1905), Klassiker wie Angela Davis Women, Race & Class (1981) oder brandaktuell Silvia Federiccis Das Lohnpatriarchat. Texte zu Marxismus & Gender (2022), das gerade erst auf Deutsch erschienen ist. Marx und sein Denken und Marxismus in den verschiedensten Ausprägungen und Weiterentwicklungen (Black Marxism, kritische Theorie, Weltsystemtheorie, Trikontinentalismus, etc.) bieten eine Fülle an Möglichkeiten der Auseinandersetzung über den klassischen Kanon hinaus. Dieses Heft leistet dazu einen Beitrag und stellt einige lokale Rezeptionsgeschichten innerhalb und außerhalb Europas vor.
Neben den inhaltlichen Fragen, gibt es aus der Redaktion zu berichten, dass unsere Herausgeberin, die WiGiP, einen neuen Vorstand gewählt hat: Hans Schelkshorn führt seine Präsidentschaft fort und wird vertreten durch Mădălina ­Diaconu. Neu in den erweiterten Vorstand wurde außerdem L’ubomir Dunaj gewählt. Herzlichen Glückwunsch an alle und wir freuen uns auf eine weiterhin produktive und gute Zusammenarbeit! Außerdem bedanken wir uns herzlich für die tatkräftige Unterstützung von Stefan Witek, der uns die letzten Jahre als verlässlicher Korrektor zur Seite stand. Das Korrektorat hat nun Adrian Fleisch übernommen. Vielen Dank, wir freuen uns sehr!
Immer noch aktuell ist leider der europäische Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Auch wenn wir als Philosoph:innen Kriegen oft kaum mehr als mit Fassungslosigkeit begegnen können, wollen wir als Vertreter:innen interkulturellen Philosophierens dazu beitragen, das Bewusstsein für strukturelle Unterschiede zu schärfen und jenseits der aktuellen europäischen Krise über Möglichkeiten globaler Gerechtigkeit und eines friedlichen Miteinanders nachzudenken. Dazu kann auch die Einsicht gehören, dass dieser Krieg ein europäischer ist, der globalhistorisch nur einer unter vielen ist. Dennoch: der Krieg muss enden und wir fordern weiterhin die Einstellung aller militärischen Handlungen.

Für die Redaktion,
Lara Hofner

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